Kultur & Architektur
Der Name „Kulturpalast Unterwellenborn“ füllt den Saal
Quelle: Ostthüringer Zeitung vom 20.11.2024

Von Benjamin Hertel, Reporter

Saalfeld. „Max braucht Gesellschaft“ wurde in einem historischen Saal in Saalfeld der Öffentlichkeit präsentiert. Eine kleine Bemerkung am Rand ließ aufhorchen.

Der Veranstaltungsort für die Buchpräsentation der ersten umfassenden Monografie über den Kulturpalast Unterwellenborn (KuPa) war nicht zufällig gewählt. Susanne Rham, Lektorin des Buches „Max braucht Gesellschaft“, hätte diesen „für uns entdeckt“, sagte Mario Müller, KuPa-Aktivist aus Berlin, im vollbesetzten Restaurant der Thüringen-Kliniken in Saalfeld den über 100 Gästen. Müller, der den Abend moderierte, in Saalfeld geboren wurde und in Unterwellenborn aufwuchs, gab zu: „Dieser Saal war mir bis vor einem Jahr völlig unbekannt.“

Er schäme sich ein bisschen dafür. Denn den Saal des Restaurants verbinde so Manches mit dem Kulturpalast in Unterwellenborn. Nicht nur wurde dieser zur selben Zeit gebaut, sondern auch vom selben Architektenteam, so Müller weiter. Aber, wir seien auch deshalb im Krankenhaus, weil es um ein krankes Haus gehe – der Kulturpalast ist seit Jahren dem Verfall preisgegeben.

Das Buch über den Kulturpalast soll Wettbewerbe gewinnen
Eingebunden in schwarzes Leinen und 144 Seiten schmal erschien die edle Monografie im Leipziger „sphere publishers Verlag“, mit einer Gesamtauflage von 2000 Exemplaren zu je 32 Euro. Wie der Verleger, Christoph Liepach, verriet, könne das Buch in ausgewählten Buchhandlungen in Saalfeld, Rudolstadt und Pößneck gekauft werden und wäre ohne die beiden „Player“ Unterwellenborn und Stahlwerk Thüringen nicht realisiert worden. Andere Publikationen des studierten Grafikers und Fotografen schafften es in verschiedenen Wettbewerben bereits auf Shortlists. Darunter das mittlerweile vergriffene Buch „Gera ostmodern“.

Für „Max braucht Gesellschaft“ erhoffe sich Liepach Ähnliches, verriet er im Reaktionsgespräch. Die DDR-Architektur, fuhr er in Saalfeld fort, sei mit einem Stigma belastet. Ginge es um Armut, würden im Fernsehen meist Plattenbauten im Hintergrund eingespielt. Dabei habe das, was im Sozialismus, zentral organisiert, an Architektur entstanden sei, aus heutiger Sicht und aus seiner jüngeren Perspektive (Liepach wurde 1990 in Gera geboren) „interessanterweise architektonische Qualitäten hervorgebracht“, die er heutzutage so nicht mehr sehe. Heute planen Einzelakteure, damals plante ein ganzes Land, sagte Liepach.

Ulrich Hartung, Architekturhistoriker, wurde während der Podiumsdiskussion in Saalfeld mit den Worten zitiert: „Er ist einmalig. Es gab nur wenige Kulturpaläste und der Name wurde auch sehr restriktiv vergeben.“ Unter diesen, sei das Haus in Unterwellenborn das größte, raumgreifendste Gebäude mit den meisten Räumen und der prächtigsten Architektur. „Man kann sagen, es gibt viele Kirchen, es gibt einige Dome und wenn man die Kategorie Kulturhäuser der DDR in den 50er-Jahren ansieht, ist das der Dom zu Köln.“

Gesellschaft braucht heute wieder einen repräsentativen Ort
Dem Zitat Hartungs stimmte Architekt Thomas Zill auf dem Podium zu und sagte, das sei „sehr präzise formuliert. Wer das Gebäude sieht, kann ins Schwärmen kommen.“ Ein Prototyp hätte es sein sollen, für alle Kulturhäuser in der DDR. Die klassizistische Form, so Zill weiter, sei aber nur etwa sieben Jahre gebaut worden. Pierre Wilhelm, Kulturmanager, sprach dagegen von einer „hoch polarisierten Zeit“, in der wir aktuell leben und die nicht einmal vor Geburtstagstafeln Halt mache. Mit dem Kulturpalast hätte man damals einen repräsentativen Ort geschaffen und hätte es sich „ganz viel kosten lassen, etwas zu bauen, wo Menschen zusammenkommen, die nicht immer nur einer Meinung sind.“ Das sei auch das, was wir jetzt bräuchten.

„Der Tag, der für mein ganzes späteres Leben entscheidend war“, begann Michael „Migo“ Goschütz, ehemaliger Kulturhaus- und Klubleiter aus Unterwellenborn in Saalfeld, sei der 15. Februar 1968 gewesen. An diesem Datum gründete er mit zwei Freunden den Singeklub der Maxhütte. Nicht etwa deshalb, wie Goschütz weiter ausführte, weil er das Lied des Sozialismus singen wollte. Ihn habe der unbedingte „Drang zur Bühne“ getrieben, und „außerdem wollte ich bei den Mädels Eindruck schinden.“ Bewegt habe ihn immer, dass das Haus das kulturelle Herz der ganzen Region gewesen sei. Über zig Kilometer hätte es ausgestrahlt.

Ab 1977 arbeitete Goschütz im Kulturpalast, bis ihm 1984 die SED ein inoffizielles Berufsverbot aussprach und er das Haus verlassen musste. Seine Lieder hätten den „führenden Genossen des Kreises“ nicht ganz so gefallen. Für ihn ging es zurück in die Produktion, die Verbindung zum Kulturhaus sei aber nie ganz abgerissen. Nach der Wende sei dann aber die Sünde gekommen und aus dem Palast, für kurzsichtige Regionalpolitiker, Ballast geworden, sagte Goschütz. Was auch immer, unter welcher Trägerschaft, unter welchen Eigentumsverhältnissen auch immer, mit dem Haus passieren werde, über eins müsse man sich klar werden: „Das Kulturhaus wird nie wieder das sein, was es einst war.“

Hinter den Kulissen wird gemeinsam an der Revitalisierung gestrickt
Im August warb die Thüringer Staatskanzlei für einen Gesprächsneustart. Denn der Zustand des Hauses bereitet Sorgen und der Dialog zwischen Eigentümer und KuPa-Aktivisten war hoffnungslos festgefahren. Pierre Wilhelm, der im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei als Projektsteurer mit der Region, den Eigentümern von KuPa und Gasmaschinenzentrale sowie überregionalen Akteuren ein gemeinsames Zentrum für Industriekultur entwickeln soll, ließ durchblicken, dass der Bund hinter den Kulissen bekannt habe, sich für den KuPa mit engagieren zu wollen. Wilhelm schränkte ein: „Natürlich noch zu Zeiten der Ampelregierung“, man müsse schauen, was danach passiert.

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