Tag des offenen Denkmals
Kulturpalast Unterwellenborn: „Eine Immobilie in falschen Händen“
Quelle: Ostthüringer Zeitung vom 14.9.2025
Unterwellenborn. Bei einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion in der Gasmaschinenzentrale wurde Tacheles geredet: „Das DDR-Stigma ist noch nicht überwunden!“
Von Guido Berg
Beim „Tag des offenen Denkmals“ am Sonntag war auch die Unterwellenborner Gasmaschinenzentrale geöffnet und viele Besucher nutzten diese Gelegenheit. Doch ein anderes, ebenso bedeutsames Denkmal im Ort, der Kulturpalast, blieb geschlossen. Dennoch war der Palast in der Gasmaschinenzentrale allgegenwärtig – auf Monitoren, auf Bildern, aber insbesondere bei einer hochkarätigen Podiumsdiskussion, die zum Nachteil für die Besucher nicht auf der Hauptbühne, sondern in einem Nebenraum stattfand.
„Es fehlt ein aktiver Eigentümer!“
Das ist bedauerlich, denn es wurde Tacheles geredet. Der Architekt Thomas Zill von Verein Kulturpalast Unterwellenborn e.V. machte klar, dass der leerstehende und bedrohte Palast „eine Immobilie in falschen Händen ist“. Zill: „Es fehlt ein aktiver Eigentümer!“ Der am 1. Mai 1955 offiziell eröffnete Kulturpalast, der seit 1987 unter Denkmalschutz steht, wurde nach der Wiedervereinigung an einen westdeutschen Unternehmer verkauft. Selbst der Kulturpalast-Verein hat keinen Zutritt zu dem Haus.
Architekt Zill hob die Bedeutung des Palastes als Ergänzung der Maxhütte hervor, die nach 1945 als „der Zonen-Betrieb Nummer 1“ galt. Er selbst erklärte hinsichtlich der Zukunft des riesigen Hauses, er habe noch Hoffnung. Es gebe Anzeichen dafür, dass Bildung und Bildungsorten ein höherer Wert beigemessen werde – „bis in die Bundesregierung hinein.
Apropos Bildung. Für Thomas Grass vom Thüringer Landesamt für Denkmalpflege ist der Zustand des Kulturpalastes „ein Sinnbild für den Zustand der Gesellschaft und den Umgang mit der Kultur“. In diese Richtung argumentierte auch Moderator Pierre Wilhelm, der den Abriss von DDR-Kulturhäusern als Orte der Begegnung ebenso kritisierte wie den Abriss alter Warenhäuser in Westdeutschland. Pierre Wilhelm zitierte in diesem Zusammenhang mit diesen Akten des kulturellen Niedergangs den Erfinder des Wortes „Infotainment“, Neil Postman.
Das DDR-Stigma „ist noch nicht überwunden“
Der schrieb bereits 1985 in seinem Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“: „Wenn aus Bürgern Zuschauer werden und ihre öffentlichen Angelegenheiten zur Varieté-Nummer herunterkommen, dann ist die Nation in Gefahr – das Absterben der Kultur wird zur realen Bedrohung.“ Die Architekturhistorikerin Prof. Simone Hain erklärte zum gegenwärtigen Zeitgeist: „Das utopische Denken ist verschwunden, dass Denken darüber, dass die Welt anders bewirtschaftet werden könnte.“
Der Kulturpalast in Unterwellen – nach den Worten des Berliner Ingenieurs und Planers Achim Sell „der einzige Metropolenpalast auf dem Lande“ – leidet indes nicht nur am allgemeinen Kultur-Verfall, sondern an seinem DDR-Stigma. „Dieses Stigma ist noch nicht überwunden“, stellt Michael Grass fest. Im Weiteren lieferten die Podiumsmitglieder redlich Argumente, dieses Stigma zu zertrümmern.
So Achim Sell, am Bau zahlreicher Theater- und Opernhäuser in Westdeutschland beteiligt, gestand ein, dass die Pläne und Entwürfe für DDR-Kulturhäuser zu jener Zeit für ihn von hohem Interesse waren: „Das deckte sich mit meinem Anspruch“, solche öffentlichen Orte der Begegnung „von der Nutzung her zu betrachten“.
Der Kulturpalast Unterwellenborn ist „Spitzenarchitektur“
Prof. Simone Hain sprach beim Kulturpalast von „Spitzenarchitektur“, der im deutschen Theater-Bereich „unerreicht“ sei. Ihre Begründung: „Es gibt keinen hässlichen Abschnitt.“ Viele Theaterbauten hätten wegen der Bühnen-Technik „einen riesigen Rücken“. Der Kulturpalast dagegen sei „ein Tempelbau“, bei dem sich nach allen Seiten derselbe Rhythmus wiederfinde. Alle Raumabschnitte seien „absolut durchkomponiert“. Da sei „ein großer Könner“ am Werk gewesen, gemeint ist der Architekt Josef Kaiser (1910 – 1991).
Überraschend, weil wenig bekannt ist, was Michael Grass in einem Dia-Vortrag ausführte. Demnach sind die 2000 Kulturhäuser der DDR mit dem Kulturpalast Unterwellenborn als architektonischem Hauptgebäude keineswegs eine Idee „Made in GDR“. Bereits im 18. Jahrhundert hatten Unternehmer und Erfinder im aufstrebenden Großbritannien verstanden, dass eine große Kultur- und Industrie-Nation in Sachen Bildung ein breites Fundament benötigt – Stichwort „Wissen ist Macht.“. Aus dieser Idee heraus gründeten sie die so genannte „Mechanics’ Institutes“, um den Bildungstand der Arbeiterklasse zu erhöhen.
Michael Grass hat die teils riesigen Institutsgebäude genau erforscht, von denen einige nicht mehr erhalten sind und einige in einem ähnlich desolaten Bauzustand sind die wie das Kulturhaus Unterwellenborn. Sein Fazit: „Das ist das gleiche Raumprogramm wie bei den Kulturhäusern“ – großer Saal, Bibliothek, Leseräume, Pubs und Cafés.
„Volkspalast Glasgow“. Und das „50 Jahre vor der DDR.“
Einige „Mechanics’ Institutes“ wurden laut Michael Grass als College-Gebäude weitergenutzt oder als kommunale Bildungseinrichtung – etwa in Glasgow. Im Jahr 1898 eingeweiht, erhielt das Gebäude den Namen „Volkspalast Glasgow“. Grass: „50 Jahre vor der DDR.“
Als Architekturhistorikerin Hain kurz nach 1990 von Fotografen gefragt wurde, was sie fotografieren sollen in der DDR, bevor es verschwunden ist, hatte sie eine Vorahnung. Ihre damalige Antwort, wie sie bei der Podiumsdiskussion in der Gasmaschinenzentrale verriet, lautet so: „Die Kulturhäuser!“
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